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Euskirchener Mütter bei der Rosen-Madonna von Buschhoven

Täglich kommt es jedem von uns zum Bewußtsein, daß wir in einer zerrissenen Zeit leben. Täglich beweisen es uns vor allem die politischen Ereignisse, wie gespalten unser Volk ist. Sollen wir uns dann wundern, wenn auch der einzelne Mensch mehr und mehr nach Innen und Außen zerrissen wird, wenn unter dem täglichen, ständigen Zwiespalt der Geister auch die Seele leidet? Mehr als je bedürfen wir eines einigenden Bandes, das uns als Volk, das uns als Einzelwesen zusammenhält. Wer die Zeichen der Zeit aufmerksam zu deuten weiß, wird nicht darüber erstaunt sein, wenn namentlich in den Großstädten neben dem krassen Nationalsozialismus vielfach mißverstandene und mißdeutete Seelenregungen wuchern, in denen ein Verstehender nur eine Reaktion gegen eine übertriebene Vernünftelei, einen natürlichen Ausgleich des Ewigen in uns gegen das allzustark betonte Zeitliche erblickt. Glücklich derjenige, welcher in diesem Zeichen einen starken Rückhalt in seiner angestammten, angeborenen Religionsgemeinschaft findet, auf Okkultismus, Spiritismus und andere „Ismen“ verzichten kann. Es ist natürlich, wenn in solchen Zeiten manche ihrer Kinder- und Väterglauben entfremdet werden, natürlich aber auch, wenn viele Verlorene wieder zu dem zurückfinden, was ihrer einst war. Schon immer war besonders die Seele der Frau und Mutter ein starker Hort des Glaubens, des Ahnens und Wissens um das Uebernatürliche; immer war sie in diesen Dingen zumeist Stütze des Mannes und Vaters, Mittel- und Sammelpunkt der Familie. Stark betonte aus dieser Erkenntnis heraus die christliche Kirche darum schon in ihren Anfängen die Verehrung Mariens, der jungfräulichen Mutter und hielt daran durch die Jahrhunderte fest, vielfach von anderen beneidet. Immer schon ist das christliche Volk besonders gern zu jenen Stätten gepilgert, die in dem Rufe standen, sich der besonderen Gunst der göttlichen Mutter zu erfreuen.

Etwas ähnliches haben auch gewiß alle diejenigen der 200 Euskirchener Frauen aus den vereinigten Müttervereinen der Stadt in sich gefühlt, als sie sich entschlossen, die Rosa Mystica in Buschhoven, einen der ältesten katholischen Wallfahrtsorte, zu besuchen. Die Tradition reicht hier, durch Dokumente verbürgt, bis 1190 zurück. In den vergangenen Jahrhunderten kamen die Pilger, - wie sollte es anders sein? - zu Fuß weither, von Aachen, von Trier, aus dem Holländischen und noch weiter. Die heutige Zeit hat es bequemer. Nicht nur mit den Verkehrsmitteln, auch mit den Landstraßen sind wir heute arg verwöhnt. Etwas aber von der Poesie der Landstraße, der alten Fußprozessionen wollten auch die Teilnehmerinnen sich verschaffen, die mit der Bahn bis zur Station Kottenforst gefahren waren und dann den Marsch durch den wundervollen Wald antraten. Bald Laub-, bald Nadelwald, bald hohe grüne Eichen und Buchen, bald dunkle Tannen und Fichten säumen den Weg, den die Pilgerinnen teils betend und singend, teils in fröhlichem Geplauder dahinschritten. Mußte man auch stellenweise manchmal vorsichtiger gehen, - um schlechten Stellen auszuweichen, - nun, das tat der Stimmung seinen Abbruch; und erhöhte eher noch die Poesie dieses Waldganges, zudem bedeutete es ja für viele ein Opfer, das sie heutzutage selten zu bringen gewohnt sind. Ein Teil der weniger Fußtüchtigen aber hatte mittlerweile in schönen Verkehrswagen den direkten Weg zum Wallfahrtsorte genommen, um von hier aus, dem vom Walde nahenden Zuge entgegen zu gehen, und die Pilgerinnen in Empfang zu nehmen. Hier schlossen sich auch eine Reihe Mitschwestern aus St. Remigius aus Bonn und Beuel an, die gleichzeitig zur Verehrung Mariens herbeigeeilt waren. Der Herr Ortspfarrer hatte es sich nicht nehmen lassen, den Zug am Bahnhof Kottenforst persönlich in Empfang zu nehmen und zu leiten, wie er auch wieder dahin zurück die Führung übernahm. Im übrigen hatten die Leitung der Pilgerfahrt Herr Pfarrer Körfer aus Euskirchen, sowie die Präfektin Frau Elisabeth Katzfey in Händen. In der Wallfahrtskirche erläuterte Herr Pfarrer Tent zunächst in seiner Ansprache die Geschichte des Gnadenbildes und des Wallfahrtsortes, die in mehr als einer Hinsicht historisch und religiös merkwürdig sind.

Wir dürfen hier auf den vor einigen Wochen im Unterhaltungsteil unserer Zeitung, anläßlich das Rosenfestes in Buschhoven erschienenen Artikel hinweisen. Zahlreiche Ablässe, deren Dokumente sich noch in Buschhoven befinden, sind seit etwa dem 12. Jahrhundert hier zu gewinnen. Manches von religiösen Schätzen ist im Laufe der Zeit der engeren Heimat verloren gegangen, aber an andern Stätten als kostbares Gut verwahrt worden. So befindet sich im Domschatz zu Köln ein uraltes Evangeliar aus Buschhoven, das s. Zt. in der Pressa in Köln ausgestellt und mit 100 000 RM. versichert war, ferner ein Reliquienbehälter und eine Monstranz. Die Reliquien aber, welche nach der Ueberlieferung der Auffindung des Gnadenbildes und Stifter des Klosters Schillingskapellen aus dem hl. Lande mitgebracht hat, sind noch heute zum größten Teil in der Wallfahrtskirche verwahrt. Möge Gott verhindern, daß sie eines Tages dem alles zerstörenden Diesseitsgeiste zum Opfer fallen, dem jedes Gefühl dafür abgeht, was in ihnen eigentlich schlummert und der bisher gottlos den deutschen Gauen noch nicht gefährlich werden konnte.

Vielleicht haben wir sogar den Gefahrpunkt in dieser Hinsicht überschritten. Mancherlei Anzeichen scheinen darauf hinzudeuten, daß die Zeit des schrankenlosen Materialismus überwunden ist. Daß man wieder Gefühl dafür bekommt, daß sich hinter den Dingen dieser Welt noch andere verbergen, welche nicht alle, wenigstens die wenigsten zu erfassen vermögen. Wer die neueste Geschichte der Heilkunde verfolgt, der weiß, daß heute vieles wieder zu Ehren kommt, das lange von den Aufgeklärten verlacht und verspottet worden ist. Die Rose, der Rosensegen, die Verehrung Mariens als geistliche Rose gewinnen von diesem Standpunkte aus ein Gesicht, das unsere Vorfahren gut gekannt haben, da uns aber im Zeitalter der Maschine, der Technik, der Mechanisierung auch des Menschen, verloren gegangen war. Diese und ähnliche Gedanken haben die Euskirchener Frauen aus dem schlichten Dorfkirchlein mit nach Hause genommen, mit den geweihten Rosen, die sie nach der feierlichen Andacht, in welcher der Herr Pfarrer von Euskirchen den Segen erteilte, in Empfang nehmen durften. Nach dem Geist verlangte der Körper sein Recht. In der Wirtschaft Fuß erfrischte man sich zur Rückreise, zu welcher man gerade noch in letzter Sekunde den Zug erwischte. Möge die Wallfahrt nach Buschhoven allen Teilnehmerinnen Segen gebracht haben.


Rosenmadonna - Karmantan-Foto vom 2. April 2010


Aus: Euskirchener Volksblatt vom 29. Juni 1933







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