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Michelsberg





Zum Michelsberg
Ein Gedenkblatt zum Feste Michaels Erscheinung (8. Mai)

Alljährlich, wenn der Frühling auf die Berge steigt, zieht es uns mit Allgewalt zum Luginsland der nordöstlichen Vordereifel, dem Michelsberg. Am letzten Sonntag, dem wunderschönen Maientage, waren wir dort. Wir sind es dem weithin ragenden Wahrzeichen unserer Gegend dankbar schuldig, zu schildern, wie herrlich es an diesem Sonntag dort oben war.

Vom Himmel strahlt Maiensonnenschein, als wir das trauliche Kneippbad des Westens durchschreiten und den Radberg ersteigen. Man könnte es auch bequemer haben, über Eicherscheid den Eierberg hinauf nach Mahlberg in sanfterer Steigung. Aber dieser Maimorgen reizt die neu erweckten Lebensgeister förmlich zu kraftvoller Betätigung. Und dort oben, am hohen Kreuz, winkt der erste weite Rundblick über das alte, liebe Städtchen, das prächtige Kurhaus auf dem jenseitigen Berge und darüber hinaus nach Westen und Norden, wo die Vaterstadt in leichtem Dunstschleier herübergrüßt.

Weiter nach Rodert, aus dessen Schornsteinen leichter Rauch emporwirbelt, hinein in den Buchenwald, der die ersten grünen Spitzen zeigt! Wir merken, daß hier oben in der Vegetation gegenüber Euskirchen schon ein Unterschied von etlichen Tagen liegt. Auf dem Effelsberger Weg kommen wir aus. Rechter Hand steht die Klausnerhütte mit dem „Dicken Tönnes“ Nur noch eine kurze Wegestrecke, da sehen wir schon den Berggipfel in die klare Luft emporragen:

Ein Kirchlein steht im Blauen
Auf steiler Bergeshöh'.

Mit wuchtigem Schwunge formt sich vor uns der Berg aus der mit Heide bewachsenen Hochebene; über den Bäumen, die seine Krone umkränzen, strebt die alte Kapelle gen Himmel, als würde sie von dem Geäst des Waldes getragen. Unsere Schritte beleben sich wieder angesichts des lockenden Zieles. Eine letzte Anstrengung - wir stehen oben am Fuße des Kirchleins und lassen die entzückenden Blicke um uns schweifen.


Die Kapelle auf dem Michelsberg mit dem neuen Turmrundgang. (Bildarchiv Volksblatt.)

Wir sind oft hier oben gewesen, aber so wunderbar klar haben wir die Fernsicht noch niemals bewundern können. Als wäre sie mit den Händen zu greifen, so baut sich vor uns die erhabene Bergwelt der Eifel auf. Natürlich sucht der Blick zuerst den höchsten der Gipfel: die Hohe Acht, die unsern Standort um mehr als 150 Meter überragt. Dort drüben, südöstlich, erhebt sie sich in majestätischer Ruhe und Klarheit. Auf der Nürburg nahebei glauben wir die Fensterhöhlen der Burgruine erkennen zu können. Und weiter nach Südost: Ist das nicht die charakteristische Kontur des Mosenbergipfels, das Motiv der ruhenden Brünnhilde? Und näher, mehr südwestlich, erhebt sich der breite Rücken des waldbedeckten Aremberges. Wir sehen am Fuße des Michelsberges, in seiner näheren Umgebung, neue Bauten im Werden, drüben in der Mudscheid regt sich die Industrie, die den verborgenen Reichtümern dieser Eifelberge nachspürt. Ein wunderschönes Bild im Glanz der Maiensonne!

Wir gehen auf die andere Seite des Kirchleins und schauen nach Osten, wo sich die massige Kuppe des Hochtürmers dicht vor uns erhebt. Darüber hinaus schweift der Blick in die Berge, die das Rheintal säumen, umfängt entzückt das Bild der sieben Berge und sucht weiter im Dunst des Nordostens die Schwurfinger des Kölner Domes. O Heimat, wie bist Du so schön! Braucht es da noch weiter Reisen nach dem Auslande?

Wir haben Glück: Eine andere Wandergruppe kommt oben an, die über Mahlberg gegangen ist und den Schlüssel zum Kirchlein mitgebracht hat. Wir schließen uns an und treten, leicht erschauernd in der uns entgegenwehenden Kühle, in das schlichte Gottestempelchen ein. Durch die bunten Fenster im Chor dringen die Strahlen der Maisonne. Wir verneigen uns ehrfurchtsvoll vor der großen Statue des Patrons dieser Kapelle, des gewaltigen Gottesstreiters St. Michael, dessen name uns die Frage der Zeit stellt: „Wer ist wie Gott?“ Vor diesem Bilde des Führers der himmlischen Heerscharen, dem Erzengel, der das Schwert Gottes führt und die Waage der Gerechtigkeit trägt, dem Schutzengel der hl. Kirche, haben im Laufe der Jahrhunderte Tausende und Abertausende ihre Sorgen und Anliegen der mächtigen Fürbitte des Besiegers Luzifers empfohlen. In dieser Woche, am 8. Mai, am Festtage Michael Erscheinung, werden sie wieder kommen:

Zum Kirchlein seh ich wallen
Der frommen Beter viel.

Wir stellen uns im Geiste vor, wie schwer der Blitzstrahl vom 6. Mai 1836, der zwei Tage vor dem Feste Kirche und Priesterhaus in Asche legte, die vielen Verehrer des großen Erzengels getroffen hat, und verstehen die Klage und das Vertrauen, die aus folgendem Gedichte spricht, das zu der Zeit verfaßt wurde, als die Gnadenstätte viele Jahre lang in Trümmer lag. Aus diesen Versen klingen die Liebe zum Michelsberge, die Trauer um die Zerstörung des Kirchleins und der innige Wunsch nach seiner Wiederherstellung so deutlich hervor, daß sie verdienen, nicht der Vergessenheit anheimzufallen:

In jenem Land, wo Berg an Berg sich reihen,
Gekrönt von mächtgen Eichen ohne Zahl,
Wo moosumgraute Burgen und Abteien
An Bergen trauern und im stillen Tal,
Wo längst erloschne Krater gähnend dräuen
Und aus den tiefen schächten steigt der Stahl,
Da hat auf waldumkränzter Höh' gestanden
Ein Gotteshaus, berühmt in weiten Landen.

St. Michael, der Luzifer geschlagen,
Der starke Held, der Hort der Christenheit,
Ward da verehrt an seinen Festestagen,
Und öfters auch zu and'rer heil'ger Zeit.
War da, wie von den Winden hingetragen,
Ein Pilgerhauf' zum Gottesdienst bereit,
Und bei der Messe hocherhabner Feier
War allen wohl und jeder hauchte freier.

Doch in dem allgewalt'gen Zeitensturme
So manches Große und Berühmte sank,
So auch das Gotteshau. Am hohen Turme,
Der über Wolken ragte kühn und schlank,
Entzündete sich in Gewittersturme
Ein Strahl - und wie an steiler Felsenbank
Die Woge tobt, so wüteten die Flammen
Und stürzen Turm und Gotteshaus zusammen.

Nur weniges, ja nur die festen Mauern
hat das zerstörend' Element verschont.
Die stehen da und scheinen zu betrauern
Des Hauses Fall, darin der Herr gethront.
Ja, trauern möget Ihr! Mich faßt ein Schauern,
Wenn ich gewahre, wer euch jetzt bewohnt.
Die Eule brütet dort im finstern Neste
Und Raben krächzen um des Tempels Reste.

Wie lange noch, ihr christlichen Geschlechter,
Erdulden wir des schönen Tempels Schmach?
Die Nachwelt nennt uns einst mit Recht Verächter
Des Heiligtums, ja Schande folgt uns nach,
Wenn wir noch länger zögern, nicht gerechter
Die Schuld abtragen, die der Ahn' verbrach
Am Werk, daß wieder aus dem Schutt erstehe
Das Gotteshaus auf jener stolzen Höhe!

Ans Werk! Der Enkel wir dem Enkel sagen:
Den Tempel hat der Väter Sinn erbaut!
Und an des großen Helden Festestagen
Wird wieder dort ein frommes Volk geschaut.
Da kann dann wieder der Bedrängte klagen
und flehn, wenn ihn vor neuer Fehle graut.
Wohlan, wer Christ sich nennt in unsern Gauen,
Der helfe, wie er kann, den Tempel bauen!

Es hat bis zum 1. Oktober 1960 gedauert, bis die neu erbaute Kapelle durch den Dechanten Büdgenbach von Iversheim feierlich eingeweiht werden konnte. Sie wird also zu diesjährigen Oktave des Hauptfestes des heiligen Erzengels das 75jährige Jubiläum ihrer Wiederherstellung feiern können. Dann wollen wir wiederkommen, um den Schutzpatron der Christenheit zu verehren und gleichzeitig das wundersame Bild der weiten Lande, die heute im Zauber der Maiensonne glänzen, im goldenen Schimmer des Herbstes zu überschauen.

Mit diesem Vorsatze scheiden wir vom Kirchlein auf dem Michelsberge, nachdem wir noch einen stillen Augenblick vor dem Grabsteine des Freiherrn von Goltstein, des großen Verehrers und Wohltäters der Gnadenstätte, verweilt haben. Noch lange sehen wir im Absteigen am Kreuzweg vorbei über Mahlberg nach Schönau rückschauend das unvergeßliche Bild des Kirchleins auf luftiger Bergeshöhe: Auf Wiedersehen!

Quelle: Euskirchener Volksblatt vom 8. Mai 1935
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