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Michelsberg Alljährlich, wenn der Frühling auf die Berge steigt, zieht es uns mit Allgewalt zum Luginsland der nordöstlichen Vordereifel, dem Michelsberg. Am letzten Sonntag, dem wunderschönen Maientage, waren wir dort. Wir sind es dem weithin ragenden Wahrzeichen unserer Gegend dankbar schuldig, zu schildern, wie herrlich es an diesem Sonntag dort oben war. Vom Himmel strahlt Maiensonnenschein, als wir das trauliche Kneippbad des Westens durchschreiten und den Radberg ersteigen. Man könnte es auch bequemer haben, über Eicherscheid den Eierberg hinauf nach Mahlberg in sanfterer Steigung. Aber dieser Maimorgen reizt die neu erweckten Lebensgeister förmlich zu kraftvoller Betätigung. Und dort oben, am hohen Kreuz, winkt der erste weite Rundblick über das alte, liebe Städtchen, das prächtige Kurhaus auf dem jenseitigen Berge und darüber hinaus nach Westen und Norden, wo die Vaterstadt in leichtem Dunstschleier herübergrüßt. Weiter nach Rodert, aus dessen Schornsteinen leichter Rauch emporwirbelt, hinein in den Buchenwald, der die ersten grünen Spitzen zeigt! Wir merken, daß hier oben in der Vegetation gegenüber Euskirchen schon ein Unterschied von etlichen Tagen liegt. Auf dem Effelsberger Weg kommen wir aus. Rechter Hand steht die Klausnerhütte mit dem Dicken Tönnes Nur noch eine kurze Wegestrecke, da sehen wir schon den Berggipfel in die klare Luft emporragen:
Mit wuchtigem Schwunge formt sich vor uns der Berg aus der mit Heide bewachsenen Hochebene; über den Bäumen, die seine Krone umkränzen, strebt die alte Kapelle gen Himmel, als würde sie von dem Geäst des Waldes getragen. Unsere Schritte beleben sich wieder angesichts des lockenden Zieles. Eine letzte Anstrengung - wir stehen oben am Fuße des Kirchleins und lassen die entzückenden Blicke um uns schweifen.
Wir sind oft hier oben gewesen, aber so wunderbar klar haben wir die Fernsicht noch niemals bewundern können. Als wäre sie mit den Händen zu greifen, so baut sich vor uns die erhabene Bergwelt der Eifel auf. Natürlich sucht der Blick zuerst den höchsten der Gipfel: die Hohe Acht, die unsern Standort um mehr als 150 Meter überragt. Dort drüben, südöstlich, erhebt sie sich in majestätischer Ruhe und Klarheit. Auf der Nürburg nahebei glauben wir die Fensterhöhlen der Burgruine erkennen zu können. Und weiter nach Südost: Ist das nicht die charakteristische Kontur des Mosenbergipfels, das Motiv der ruhenden Brünnhilde? Und näher, mehr südwestlich, erhebt sich der breite Rücken des waldbedeckten Aremberges. Wir sehen am Fuße des Michelsberges, in seiner näheren Umgebung, neue Bauten im Werden, drüben in der Mudscheid regt sich die Industrie, die den verborgenen Reichtümern dieser Eifelberge nachspürt. Ein wunderschönes Bild im Glanz der Maiensonne! Wir gehen auf die andere Seite des Kirchleins und schauen nach Osten, wo sich die massige Kuppe des Hochtürmers dicht vor uns erhebt. Darüber hinaus schweift der Blick in die Berge, die das Rheintal säumen, umfängt entzückt das Bild der sieben Berge und sucht weiter im Dunst des Nordostens die Schwurfinger des Kölner Domes. O Heimat, wie bist Du so schön! Braucht es da noch weiter Reisen nach dem Auslande? Wir haben Glück: Eine andere Wandergruppe kommt oben an, die über Mahlberg gegangen ist und den Schlüssel zum Kirchlein mitgebracht hat. Wir schließen uns an und treten, leicht erschauernd in der uns entgegenwehenden Kühle, in das schlichte Gottestempelchen ein. Durch die bunten Fenster im Chor dringen die Strahlen der Maisonne. Wir verneigen uns ehrfurchtsvoll vor der großen Statue des Patrons dieser Kapelle, des gewaltigen Gottesstreiters St. Michael, dessen name uns die Frage der Zeit stellt: Wer ist wie Gott? Vor diesem Bilde des Führers der himmlischen Heerscharen, dem Erzengel, der das Schwert Gottes führt und die Waage der Gerechtigkeit trägt, dem Schutzengel der hl. Kirche, haben im Laufe der Jahrhunderte Tausende und Abertausende ihre Sorgen und Anliegen der mächtigen Fürbitte des Besiegers Luzifers empfohlen. In dieser Woche, am 8. Mai, am Festtage Michael Erscheinung, werden sie wieder kommen:
Wir stellen uns im Geiste vor, wie schwer der Blitzstrahl vom 6. Mai 1836, der zwei Tage vor dem Feste Kirche und Priesterhaus in Asche legte, die vielen Verehrer des großen Erzengels getroffen hat, und verstehen die Klage und das Vertrauen, die aus folgendem Gedichte spricht, das zu der Zeit verfaßt wurde, als die Gnadenstätte viele Jahre lang in Trümmer lag. Aus diesen Versen klingen die Liebe zum Michelsberge, die Trauer um die Zerstörung des Kirchleins und der innige Wunsch nach seiner Wiederherstellung so deutlich hervor, daß sie verdienen, nicht der Vergessenheit anheimzufallen:
Es hat bis zum 1. Oktober 1960 gedauert, bis die neu erbaute Kapelle durch den Dechanten Büdgenbach von Iversheim feierlich eingeweiht werden konnte. Sie wird also zu diesjährigen Oktave des Hauptfestes des heiligen Erzengels das 75jährige Jubiläum ihrer Wiederherstellung feiern können. Dann wollen wir wiederkommen, um den Schutzpatron der Christenheit zu verehren und gleichzeitig das wundersame Bild der weiten Lande, die heute im Zauber der Maiensonne glänzen, im goldenen Schimmer des Herbstes zu überschauen. Mit diesem Vorsatze scheiden wir vom Kirchlein auf dem Michelsberge, nachdem wir noch einen stillen Augenblick vor dem Grabsteine des Freiherrn von Goltstein, des großen Verehrers und Wohltäters der Gnadenstätte, verweilt haben. Noch lange sehen wir im Absteigen am Kreuzweg vorbei über Mahlberg nach Schönau rückschauend das unvergeßliche Bild des Kirchleins auf luftiger Bergeshöhe: Auf Wiedersehen! Quelle: Euskirchener
Volksblatt vom 8. Mai 1935 |
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