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Michelsberg





Grausiges Jammern vom Birkenhof zum Michelsberg
von Lehrer Thiebes
veröffentlicht 1926

Vor vielen, langen Jahren lag in den Tannenforsten am 'Decken Tönnes' nahe Münstereifel ein stattliches Gut, der Birkenhof. Freundlich lugten aus den Tannen die roten Dächer des Herrenhauses und der Stallungen, und mit Lust überschaute das Auge grünende Weiden und goldene Fluren.

Dort wohnte mit Familie und Gesinde der reiche Hochscheid, einer der wohlhabendsten und angesehensten Bauern der Pfarrei. *) Recht wie Königskinder in Märchenschlössern, so lebten die da und ahnten nicht, daß in den zauberzarten Traum ihres Daseins schon bald unheiliges Verbrechen seine Fangarme strecken werde.

Weihnachten war gekommen. Wie Königinnen im Hermelin, so standen die Tannen im Märchenwalde, durch den das keusche Schweigen heiliger Weihnacht schritt. Sehnsuchtsklänge sandten die Glocken über die schlummernde Flur und riefen zur Christmette in der Michaelskapelle. Froher Weihnachtssang scholl durchs Kirchlein. Friede war in aller Herzen und Feierstimmung durchrann des Priesters Brust, der eben durch Allmachtswort Brot und Wein verwandelt hatte.

Da vernimmt der Priester plötzlich ein feines Tröpfeln, ein-, zwei-, dreimal; wie ein qualverlorenes Wimmern klingt's ihm dabei irgendwoher ins Ohr; ihm ist's, als höre er fernher grausigen Jammers verhallende Wehrufe. Er wendet sich und siehe da! Vom Evangelienbuche glühen ihm drei Blutströpflein entgegen wie kleine purpurrote Schicksalsröslein, und wie er sie sinnend betrachtet, ist's, als ob wabernde Feuerlohe daraus aufzüngle. Angst befällt ihn; dahin ist die Weihestimmung, und als gälte sein Opfer einem Toten und nicht dem Gott von Bethlehem, so steigt eine innere Unruhe in ihm auf und martert ihn und läßt ihn nicht los.

Banger Ahnung voll wendet er sich zum Volke und fragt, ob keines seiner Pfarrkinder fehle. Ein Wispern und Raunen, ein dumpfes Gemurmel und ängstlich scheue Bewegung geht durch die heiligen Hallen; fragende, bange Blicke huschen herüber, hinüber - man vermißt die vom Birkenhofe.

Auf des ehrwürdigen Pfarrherrn Geheiß zogen nun einige beherzte Männer zum 'Decken Tönnes'. Zur Stunde, wo der Priester das schaurige Gesicht hatte, waren Mörder in den Hof eingedrungen. Familie und Gesinde waren ihrer Mordsucht, Haus und Hof ihrer Brandwut zum Opfer gefallen. Nur des Bauern Töchterlein und ein treues Hündlein waren dem Verderben entronnen, weil sie sich unter dem Backofen verborgen hatten. Durch das treue Tier aber fand man die Spur der Mordbuben und übergab sie der irdischen Gerechtigkeit.

Wir aber ehren das Andenken der unglücklichen Familie im Namen der Flurbezeichnung 'Am Birkenhofe'.

Lehrer Thiebes, Brüht: Die Sage vom Birkenhofe. In: Eifelvereinsblatt 1926, Seite 157

auch bei Wilhelm Röhrig. Die Sage vom Birkenhof, Nr. 10, Manuskript von ca. 1955

*) Der Birkenhof wird in Gerichtsakten 'Hochscheider Hof' genannt. Er lag auf dem Knippenberg in der Nähe des 'Decken Tönnes'.

Quelle: Sagen rund um den Michelsberg
Auszüge aus dem Sagenbuch <Im Dunkel der Nacht> Sagen und andere „merkwürdige“ und unheimliche Geschichten aus Bad Münstereifel und Umgebung gesammelt von Sophie Lange
VIII. Abschnitt: Der Michelsberg und der „Decke Tönnes“

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