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Matronenverehrung in der Eifel
zur Zeit der Kelten





Von Professor Hürten in Münstereifel

„Kein Volk ist so ungebildet noch so wild, daß es nicht, wenngleich ihm ein richtiger Begriff von Gott mangelt, dennoch von der Notwendigkeit überzeugt wäre, irgend eine Gottheit anzunehmen.“

Cicero.

Zu allen Zeiten hat des Menschen Geist den Ursprung und den Werdegang der Dinge zu ergründen gesucht. In der wunderbaren Ordnung und den mannigfachen Erscheinungen der Natur erblickte er das Wirken geheimnisvoller Kräfte und das Walten höherer Wesen, mit denen er sich in irgend einer Weise verbunden fühlte. Göttern und Göttinnen baute er Tempel und brachte ihnen Gebete und Opfer dar. Ueber die religiösen Gebräuche vieler heidnischer Völker, selbst des grauen Altertums, sind wir ziemlich gut unterrichtet, dagegen unsere engere Heimat bewohnten, verhältnismäßig wenig. Die ersten Nachrichten verdanken wir dem römischen Feldherrn Cäsar. Als dieser i. J. 58 v. Chr. nach Gallien kam und das Land der Kelten in achtjährigem Kampfe eroberte, fand er eine Bevölkerung mit hochentwickelter Kultur. Die von den Kelten verehrten Gottheiten vergleicht er mit denen der Römer und legt ihnen sogar die römischen Namen Apollo, Merkur, Jupiter, Mars, Minerva bei. Die Matronenverehrung erwähnt Cäsar nicht, obwohl sie, wie wir heute wissen, im Lande der Kelten von Norditalien bis nach Britannien und vom Mittelländischen Meer bis zum Rhein verbreitet war. Wertvolle Aufschlüsse haben wir durch Ausgrabungen, die in neuerer Zeit in der Eifel vorgenommen wurden, erhalten. Auf die Funde aus diesem uns so nahe liegenden Gebiet soll sich der nachstehende Bericht über die Matronenverehrung der Kelten in der Hauptsache beschränken.

Erst um das Jahr 1600 wird der Matronenkult der Kelten im Anschluß an aufgefundene Weihesteine von Schriftstellern erwähnt. In der Folgezeit sind Hunderte solcher Steine bekannt geworden. Auch hat man Altäre solcher Steine mit figürlicher Darstellung der Matronen und ganze Tempelbezirke

aufgefunden. Der größte bis jetzt bekannte Tempelbezirk wurde in den letzten drei Jahren durch die Verwaltung des Provinzialmuseums in Bonn in dem nicht weit von Münstereifel gelegenen Nötener Walde bei dem Dorfe Pesch ausgegraben. Es fanden sich die Grundmauern von vier in einer Flucht liegenden größeren Gebäuden, die von einer Wandelhalle und einer gemeinsamen Einfriedung umgeben waren. Ein noch vorhandener tiefer Brunnen von 1 ½ Meter Durchmesser, der in schön behauenen Steinen aufgemauert ist, liegt in der Mitte der Halle. Von den vier Gebäuden sind zwei besonders bemerkenswert. Das eine hatte einen Umgang und bildete einen Tempel für sich, das andere war mit zwei Reihen hoher Säulen geschmückt, deren schön bearbeitete Sockel noch zum Teil vorhanden sind. Durch die Säulenreihen war der Innenraum nach Art unserer dreischiffigen Kirchen gegliedert, auch hatte das Gebäude dem Eingang gegenüber einen chorähnlichen Anbau. Die Stellung in gradliniger Flucht und die gemeinsame Umzäunung zeigen die Zusammengehörigkeit der Gebäude zu einem Tempelbezirk. Diese Tatsache hat sich merkwürdigerweise auch im Volksmunde erhalten, indem die Bewohner der Nachbarorte die mit Buchenbäumen und Eichenschälwald bewachsenen Trümmerhaufen vor der Ausgrabung als Heidentempel und den mit Laub gefüllten Brunnen als Heidenpütz bezeichneten.


Der Tempelbezirk der Matronae Vaccallinehae bei Pesch. (Diese und die beiden sog. Abbildungen wurden durch Vermittlung von Herrn Prof. Dr. Lehner den „Bonner Jahrbüchern“ entnommen.)

Ein anderer, jedoch viel kleinerer Tempelbezirk wurde i. J. 1909 vom Bonner Provinzialmuseum bei dem Dorfe Nettersheim a. d. Urft freigelegt. Auch hier fanden sich die Grundmauern mehrerer Gebäude, die aber insgesamt noch nicht den Raum bedeckten, wie eines der Gebäude im Heidentempel bei Pesch. Bei dem Hauptgebäude dieses Bezirks war ebenfalls ein besonderer Umgang vorhanden und das Ganze mit zwei nebenstehenden kleineren Kapellchen nochmals mit einer Mauer umgeben. Die Feldflur, in der dieser Tempel stand, hat heute den Namen Görresburg, was auf eine spätere Besiedlung schließen läßt.

Neben den genannten Bezirken sind in der Eifel noch bekannt die Tempel von Mürlenbach (Kr. Prüm), Nattenheim (Kr. Bitburg), Pelm (Kr. Daun), sowie die Tempel bei Möhn (Kr. Trier) und auf dem Marberg bei Pommern a. d. Mosel. Aber auch in den Nachbargebieten der Eifel sind Matronentempel gefunden worden, so in Gusenberg und Drohnecken im Hochwald, sowie bei Cornelimünster (Kr. Aachen), bei Berkum (Kr. Bonn) und im Koblenzer Stadtwald. Hieraus kann man ersehen, daß der Matronenkult in der ganzen Eifel wie auch in den benachbarten Gebieten heimisch war.

Jeder einzelne der genannten Tempelbezirke war einer bestimmten Art von Matronen geweiht. Dies zeigen die in den Trümmerstätten aufgefundenen Weihesteine und Weihealtäre mit ihren Inschriften. Die Widmungen sind alle in lateinischer Sprache abgefaßt, so daß man versucht sein könnte zu glauben, die Matronenverehrung sei römischen Ursprungs. Allein die Götter der Römer sind durch ihre Schriftsteller hinlänglich bekannt, und bei keinem ist von Matronenverehrung die Rede. Auch der Grundriß der keltischen Tempel weicht von dem der römischen ab, indem die Kelten die quadratische Form, die Römer das Rechteck bevorzugten. Die den Matronen beigelegten Namen sind zudem der lateinischen Sprache durchaus fremd. Da sich auch unter dem Einfluß der römischen Kultur eine von dieser abweichende nicht hat entwickeln können, so müssen wir annehmen, daß die Matronenverehrung schon vor der Römerherrschaft bei den Kelten üblich war und daß diese nur deshalb erst zu dieser Zeit in die Erscheinung getreten ist, weil die Kelten keine eigene Schrift besaßen und die römischen Bildhauer mit ihrer Kunst und Sprache der keltischen Matronenverehrung erst Gestalt und Ausdruck verliehen haben. Dies scheinen auch ältere Bauperioden im Heidentempel bei Pesch zu bestätigen, die man unter den Grundmauern der zuerst freigelegten Gebäude gefunden hat.

Die Weihedenkmäler im Pescher Tempelbezirk waren alle zertrümmert, während bei Nettersheim mehrere gut erhaltene Altäre zum Vorschein gekommen sind. Das Heiligtum bei Pesch scheint demnach gewaltsam zerstört und das bei Nettersheim allmählich verfallen zu sein. Die Zerstörung kann vielleicht auf die spätere Einwanderung der germanischen Völker zurückgeführt werden, scheint aber eher mit der Einführung des Christentums in Zusammenhang zu stehen. Wie dem auch sei, soviel steht fest, daß die Matronenverehrung keltischen Ursprungs ist und zur Zeit der Römerherrschaft in der Eifel in hoher Blüte stand.

Die meisten der im Pescher Heidentempel aufgefundenen Steine zeigen künstliche Bearbeitung, und es ist gelungen, aus den Bruchstücken einzelnen Weihesteine mit Inschriften zusammenzusetzen. Die Widmungen sind nach Art der auch anderwärts gefundenen Weihesteine in einer bestimmten Form abgefaßt und alle den Matronis Vaccalinehis geweiht. Eine der Inschriften lautet z. B.:

„Matronis Vaccalinehis Flaccinia Lefa ex iussu ipsarum lebens merito.“


Altar der Matronae Aufaniae aus Nettersheim.

„Den Vaccalineischen Matronen (widmet den Stein) Flaccinia Lesa auf deren Geheiß gern nach Verdienst.“

Nach dieser Formel, manchmal noch mit einzelnen Zusätzen versehen, sind alle Widmungen abgefaßt. Zunächst wird die Gottheit genannt, der das Denkmal geweiht ist, dann kommt der Name des Weihenden und meist noch die Veranlassung, auf Grund deren die Widmung erfolgt ist. In der Regel handelt es sich um die Erfüllung eines Gelübdes, zuweilen auch um die Ausführung eines Befehls, der von den Matronen selbst ausgeht, wohl als Folge einer Erscheinung im Traume. Manchmal sind mehrere Personen als Stifter des Denkmals genannt und häufig sagt der Weihende, daß er dieses für sich und die Seinigen oder für das Wohl anderer Personen gesetzt hat.

In dem Tempelbezirk bei Nettersheim fanden sich im Gegensatz zum Pescher Bezirk statt Bruchstücken noch gut erhaltene Matronenaltäre, das sind Weihedenkmäler mit bildlichen Darstellungen der Matronen. Diese sitzen hier wie auch auf anderwärts gefundenen Altären zu dreien auf einer Ruhebank in einer Tempelnische. Auf dem Schoß tragen sie flache, mit Früchten gefüllte Körbchen oder andere Gegenstände. Ihre Gewandung besteht aus Unterkleid und einem faltigen Mantel, der auf der Brust in einem Knoten oder durch eine Spange zusammengehalten wird. Das Haupt ist durchweg mit einer großen turbanähnlichen Haube geschmückt und um den Hals häufig ein Reif mit halbmondförmigem Anhängsel gelegt. In den Bonner Jahrbüchern, Heft 119, S. 307, wird einer der Altäre folgendermaßen beschrieben:

„In der Ädikula sitzen die drei Matronen in der bekannten Tracht auf gemeinsamer Bank. Die mittelste, ohne Kopfbedeckung, hält ein viereckiges Kästchen auf dem Schoß, die linke ein Fruchtkörbchen, die rechte zwei kugelförmige große Gegenstände (Kürbisse?). Darunter die Inschrift:

Matronis Aufaniahus Marcus Pettronius Patroclus beneficiarius consularis iterata statione votum solvit libens merito.

Auf der linken Schmalseite ein Füllhorn mit Birnen, unten ein Vogel; auf der rechten Schmalseite ein dreifüßiges Tischchen, auf dem zwischen zwei Henkelkannen ein Schweinskopf steht, darüber eine Girlande und ein Vogel.“

Der vorstehend beschriebene Altar ist wie alle übrigen Altäre dieses Tempels den Aufanischen Matronen geweiht. Der Staatsgefreite Markus Pettronius Patroklus hat ihn errichtet, als er zum zweiten Male den Dienst auf der Station versah. Da auch die anderen Altäre von Staatsgefreiten aufgestellt sind, so haben diese Leute vermutlich in dem nahen Stationsorte Marcomagus, dem heutigen Marmagen, an der römischen Heerstraße Trier - Köln einen Posten bekleidet. Nahe beim Aufanischen Tempel lag unterhalb Nettersheim im Urfttal die Quelle des Römerkanals, jener großen Wasserleitung, die bestimmt war, das römische Köln mit gutem Trinkwasser zu versehen. Möglicherweise haben die Benefiziarier auch an dieser Quelle, die sicher des Schutzes bedurfte, einen Wachtposten zu versehen gehabt. Auf den Aufanischen Altären sind meist die Konsuln angegeben, unter denen die Gefreiten gedient haben. Aus diesen Angaben hat sich ergeben, daß die Altäre gegen Ende des zweiten und am Anfang des dritten Jahrhunderts aufgestellt sind. Diese Zeitangabe wird auch durch römische Münzen bestätigt, die man im Schutt des Gebäudes gefunden hat. Einige Münzen gehören dem vierten Jahrhundert an und beweisen das Jahrhunderte lange Bestehen des Aufanischen Matronenheiligtums.

Es ist nun auffallend, daß sich Weihedenkmäler, die auf die Vaccalineischen und Aufanischen Matronen Bezug haben, nicht nur in deren Tempelbezirk, sondern auch an anderen, zum Teil sehr entfernten Orten gefunden wurden. So stammen drei Weihesteine der Vaccalinehae, die schon vor dem Auffinden des Tempelbezirks bekannt waren, aus Antweiler, je einer aus lessenich und Satzvey im Kreise Euskirchen, ein anderer aus Endenich bei Bonn. Von den im Kreise Euskirchen gefundenen könnte man wohl annehmen , daß sie aus dem Heidentempel bei Pesch herrühren, doch läßt sich diese Annahme für große Entferungen nicht mehr für zutreffend erachten, wie das bei den Denkmälern der Aufanischen Matronen der Fall ist, die sich auf sehr entfernt liegende Gebiete verteilen. Auch von diesen sind zwei im Kreise Euskirchen, nämlich in Rheder und in Kommer gefunden, zwei in Zülpich, zwei in Köln und zwei in Bonn, einer auf Haus Bürger bei Düsseldorf, einer in Nymwegen, einer in Mainz, einer in Lyon in Südfrankreich und einer sogar in Carmona in Spanien. Da bei den letzten von einer Verschleppung aus dem Tempelbezirk gar keine Rede sein kann, so ist es wahrscheinlich, daß diese Weihesteine von Personen gesetzt wurden, die entweder selbst aus dem Tempelbezirk stammen.


Altar der Matronae Aufaniae aus Nettersheim

oder doch zu dem Bezirk durch Herkunft der Eltern oder sonstwie in Beziehung standen. Das in Bonn gefundene Aufaniendenkmal ist von einem Soldaten der ersten Minerva'schen Legion geweiht, und auf diesem sind die Matronen ausdrücklich als domesticae bezeichnet, d. h. die „Häuslichen“, kann aber auch die „Heimischen“ oder die „Haus und Heimat beschützenden“ heißen. So dürfte der Stifter des Denkmals im fernen Spanien ein Sohn der Eifel gewesen sein, der als Soldat im römischen Heere diente und in der Ferne der heimischen Gottheiten gedachte.

An der Nordgrenze der Eifel haben sich noch viele andere Matronensteine gefunden, von denen einige angeführt seien, da sie zugleich bekunden, wie mannigfaltig ihre Namen und wie zahlreich die Fundorte sind: Albiahenae (Oberelevnich), Afliae (Köln), Anesaminehae (Zülpich), Andrustehiae (Godesberg), Atufrafinehae (Berkum, Kr. Bonn), Cuchineae (Zülpich) Julineihiae (Jülich), Lanehiae (Lechenich), Ratheiae (Euskirchen), Romanehae (Bonn, Lommersum, Jülich, Haus Bürgel), Seccanehae (Blankenheim), Veteranehae (Wollersheim), Vesuniahenae (Zülpich und Vettweiß).

Diese Namen haben ein so fremdartiges Gepräge, daß sie weder aus unserer noch aus der lateinischen Sprache erklärt werden können. Allerdings zeigen einige von ihnen Anklänge an den Namen des Fundortes, und daher hat man wohl geglaubt, die Beinamen der Matronen seien Ortsbezeichnungen gewesen, durch deren Beifügung man hätte sagen wollen, daß die betreffenden Matronen den Angehörigen einer bestimmten Ortsgemeinde ihren besonderen Schutz verleihen. Diese Auffassung wäre etwa zu vergleichen mit der auch heute üblichen Ausdrucksweise, die eine Muttergottes von Kevelaer, von Lourdes usw. unterscheidet.

Ob aber die Beinamen aller Matronen Ortsbezeichnungen gewesen sind, kann bezweifelt werden; denn für einen Matronennamen läßt sich wenigstens nachweisen, daß sein Ursprung nicht der Ortsname ist. Am Nordrande der Eifel sind nämlich außer den genannten auch die Matronae Gabiae verehrt worden. Weihesteine dieser Matronen sind gefunden in Kirchheim bei Euskirchen, Rohr bei Blankenheim, Nörvenich bei Zülpich (3 Stück), Müddersheim bei Zülpich, Pier bei Jülich und in Köln. Der Tempel der Gabiae ist bis jetzt nicht bekannt. Man hat geglaubt, ihn in der Gegend von Zülpich suchen zu müssen. Dagegen ist der Verfasser dieses Aufsatzes in der Lage aus seiner Heimat Brühl bei Köln Tatsachen anzuführen, die geeignet sind, den ursprünglichen Sitz jener Matronen dorthin zu verlegen. Bei Brühl gibt es nämlich eine Straßenbezeichnung, die Gäbjä, die mit dem Namen Gabiae in geradezu auffallender Weise übereinstimmt. Die so bezeichnete Straße geht über das Vorgebirge von Brühl nach Liblar und führt an dem Braunkohlenbergwerk „Grube Brühl“ vorbei, an dessen Stelle vor 40 Jahren eine einfache Grube mit Handbetrieb war, die man „An den Dreimärren“ nannte, ein Name, der auch heute noch bei den Arbeitern der Grube Brühl gebräuchlich ist. Nun ist das Wort „Mär“ im Klange ganz gleich dem französischen Worte für Mutter, und demnach dürften die Dreimärren die drei Mütter oder Matronen sein, die ehedem an dieser Stelle verehrt wurden und zu deren Heiligtum die eben genannte Gabjästraße führte. „Mütter“ werden die Matronen nicht selten auch auf den Weihesteinen genannt. Dies ist z. B. auf dem in Endenich gefundenen Steine der Vaccalinehae und dem in Carmona gefundenen der Anfaniae der Fall. Ein Stein in Bonn ist sogar den Matronibus sive Matronis, d. h. den Müttern oder Matronen geweiht. Da nun Gabiae die Mehrzahl ist, ein Ort aber ursprünglich nur in der Einzahl benannt sein kann, so muß die Bezeichnung „die Gabjä“ von den Matronen stammen und nicht der Matronenname von dem Ortsnamen.

Daß an den Dreimärren, gleichsam im Mittelpunkte der Orte, wo die Weihesteine gefunden sind, das Heiligtum der Gabjämatronen gestanden hat, dafür sprechen noch andere gewichtige Gründe. Nach der Überlieferung sollen ehedem an jener Stelle Hexen ihr Unwesen getrieben haben. Allerdings war schon die Örtlichkeit darnach angetan, spukhaften Phantasien Nahrung zu geben. Die Stelle liegt nämlich mitten im Walde, und hier wird die Straße Brühl - Liblar von dem „schnacken“ Jagdweg geschnitten, der ein uralter Verkehrsweg gewesen sein muß, da er den bewaldeten Höhenrücken des Vorgebirges zwischen Königsdorf und Godesberg in seiner ganzen Länge fast gradlinig durchschneidet. An der Wegekreuzung war früher ein ziemlich tiefer, breiter und langer Graben mit beiderseits aufgeworfenen Wällen, der im Volksmund „Elstergraben“ oder „Elfengraben“ hieß. „Elfen“ waren aber altheidnische Waldgottheiten. Heute fährt durch den Graben die Eisenbahn Köln - Trier, sie trifft jene Stelle zwischen den Stationen Kierberg und Liblar, wo sie auf ihrem Höhenpunkte angelangt die Straße Brühl - Liblar kreuzt. An den Dreimärren hat nach der Sage auch der „Alte Herteler“ gehaust, der als ein kleines Männlein mit dreizackigem bleiernen Hut beschrieben wird. Er stellte sich nacht den durch den Wald kommenden Wanderern entgegen und brachte die Verirrten wieder auf den richtigen Weg. Diese Namen und Sagen können nicht zufällig entstanden sein. Sind aber „Elfen“ und „Märren“ Erinnerungen an die Gabjä-Matronen, so dürfte Herteler der letzte Hüter ihres Tempels gewesen sein.

Den Namen Gabiae haben Forscher zu deuten versucht im Anschluß an Weihesteine, von denen einer auf Haus Bürgel gefunden und den Matronis Alagabiatus geweiht ist, während zwei in Mainz gefundene die Aufschrift Ollogabiabus tragen. An das althochdeutsche Wort gabe erinnernd, sehen sie in Gabiae die „Gebenden und in Alagabiae sowie Ollogabiae die „Allesgebenden“. Ala soll die germanische und Ollo die keltische Form für „Alles“ sein. In Litauen wurde früher eine Göttin Matergabia und ein Gott Gabie verehrt. Der Matergabia weihte man beim Backen das erste Brot, und von diesem durfte nur der Familienvater und seine Gattin essen, während man zu dem Gott Gabie betete, er möge das in die geheizte Scheune zum Trocknen gebrachte Getreide vor Feuersgefahr schützen.

Von den Denkmälern, die sich auf die Gabjämatronen beziehen, ist der bei Pier gefundene Weihestein noch besonders bemerkenswert. Die Inschrift lautet:

Deae Idban Gabiae sacrum ex imperio ipsius Albanius Primus votum solvit libens merito.

„Der Gabjägöttin Idban geweiht; auf deren Geheiß hat Albanius Primus sein Gelübde gelöst gern nach Verdienst.“

Hier ist auffallend die Bezeichnung der Matrone als Göttin und noch auffallender, daß der Stifter das Denkmal nur einer der Matronen, der Göttin Idban, geweiht hat. In dieser Hinsicht weicht die Widmung von den übrigen Matronendenkmälern ab. Wohl sind noch Weihesteine bekannt, die neben dem Kriegsgotte zwei Göttinnen, Bede und Fimmilene, gewidmet sind. Hiernach ist es wahrscheinlich, daß man den einzelnen Matronen besondere Namen beizulegen pflegte. Für diese Annahme scheint auch ein Bildwerk im Dom zu Worms zu sprechen, das drei nebeneinanderstehende Frauen darstellt und aus dem 15. Jahrhundert stammen soll. Man nennt das Bild die drei Schwestern und darunter sind die Namen eingemeißelt: Einbede, Warbede, Wilibede. Diese Namen sind offenbar uralten Ursprungs und es liegt nahe, sie mit den Namen des vorerwähnten Matronendenkmals der Bede und Fimmilene in Zusammenhang zu bringen. Auch der alte Bedagau bei Bitburg könnte nach diesem Namen benannt sein.

Wie man in Worms die drei Schwestern verehrt hat, so verehrte man anderwärts in christlicher Zeit die drei Marien. In dem Dorfe Les Baux in Südrankreich findet sich in einem Felsen gemeißelt ein Denkmal, das drei Personen in Lebensgröße darstellt. An den Felsen ist im zehnten Jahrhundert eine Kapelle so angebaut worden, daß das Denkmal über das Dach hinausragt. Nach der Legende sind an jener Stelle Maria, die Mutter des jüngeren Jakobus, Maria Salome und deren Dienerin Maria Sarah beigesetzt worden, nachdem sie aus Palästina vertrieben, zu Schiffe nach Südfrankreich gekommen waren und dort eine Zeitlang gelebt hatten. Die Verehrung der drei Marien hat sich von Frankreich aus verbreitet, und der Name der Dreimärren für die Gabjämatronen könnte möglicherweise aus den drei Marien entstanden sein.

Was nun endlich das innere Wesen der keltischen Matronen betrifft, sind wir auf Schlußfolgerungen aus den bildlichen Darstellungen und auf gelegentliche Beifügungen zu ihren Namen angewiesen. In einer oberitalienischen Inschrift werden sie indulgentes = Nachsichtige, anderwärts divae = Göttliche oder sanctae = Heilige genannt. Auf den Altären werden sie mit Fruchtkörbchen, Ährenbündeln und Füllhörnern dargestellt. Das sind offenbar Sinnbilder der Fruchtbarkeit und des Wohlstandes. Bringt man dies in Verbindung mit dem gemütvollen Gesichtsausdruck der Matronen, so kann man sagen, daß sie gütige und wohlwollende Gottheiten waren, die ihre Schützlinge mit mütterlicher Sorgfalt behüteten und ihnen häusliches Glück und Wohlstand verliehen, indem sie Feld und Flur beschützten und die Fruchtbarkeit beförderten.

Für die Gewährung ihrer Bitten zeigten sich die Matronenverehrer dankbar, indem sie Opfer und Geschenke darbrachten. Opferszenen sind vielfach auf den Weihesteinen in Verbindung mit Geschenken dargestellt. Erinnert sei an den Altar in Nettersheim, auf dessen Schmalseiten ein Füllhorn mit Birnen, ein Vogel und ein Schweinskopf zwischen zwei Henkelkannen abgebildet ist. Auf einem anderwärts gefundenen Matronenaltar wird dem am Opferstein stehenden Priester ein lebendes Schwein zugeführt. Solche Opfergaben dürften gelegentlich den Priestern und Tempeldienern zugute gekommen sind, ebenso wie die Münzen, von denen sich nicht wenige in den Trümmerstätten der Tempel gefunden haben und die wohl als Opfergeld dorthin gekommen sind. Zwar wird von den der späteren Zeit angehörenden Münzen aus dem Tempel bei Nettersheim gesagt, ihr Zustand habe gezeigt, daß man zuweilen dem Opferstock altes, abgegriffenes, zum Teil außer Kurs gesetztes Geld zugewendet habe, doch darf dies nicht als die Regel betrachtet werden.

Wer sich mit der Matronenverehrung der Kelten eingehender zu beschäftigen wünscht, findet ausführliche Abhandlungen in den Bonner Jahrbüchern, Heft 83, S. 1-251; Heft 105, S. 787-102; Heft 119, S. 301 bis 321 und Heft 123.





Quelle: Eifelvereinsblatt 1917





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