Karmantan.de




Die Matronen
Von Armin Renker

Wie seltsam berührt es uns, daran zu denken, daß die Zeugen der einstigen Verehrung unserer Vorfahren unversehrt im Boden unserer Äcker und Wälder ruhen, daß hin und wieder ein glücklicher Fund eines von diesen Mälern ans Tageslicht fördert, die Spitzhacke das anschlägt, was fast durch zwei Jahrtausende im Grunde geruht hat. In unserer Eifel sind es die Matronensteine, die zuweilen ans Licht kommen, jene Sinnbilder der Mütterverehrung, die von den Kelten betrieben wurde, Bilder des tiefen Glaubens an das Werden und Entstehen der Menschheit und ihr Fortbestehen.

Die Gestalten auf diesen geweihten Standbildern sind stets zu Drei angeordnet, wie überhaupt die Dreizahl eine heilige Zahl und ein immer wiederkehrendes zeichen unserer Frühzeit ist. In der Regel zeigen die Reliefdarstellungen der Bildsteine drei auf einer Ruhebank sitzende Frauengestalten, die in lange faltige Gewänder gehüllt sind. Eine jede von ihnen hat als Gabe ein Körbchen mit Früchten oder Blumen auf dem Schoß. Die beiden Gestalten rechts und links tragen eine hohe turbanartige Haube auf ihrem Kopf und überragen die mittlere Figur, die auf fast allen Weihesteinen mit offenem wallendem haar erscheint. Die drei Frauen sitzen in einer von zierlichen Säulen getragenen Nische, die wohl den Eingang zum Tempel der Matronen darstellen soll. Opfergeräte mannigfaltiger Art werden im Zusammenhang mit dem Bildwerk dargestellt.

Die Frauen in ihrer Dreizahl als Symbol sind dann in unseren christlichen Glauben übergegangen. Erst wurde dies Sinnbild von der Geistlichkeit verfolgt und bekämpft wegen seiner heidnischen Herkunft, aber es hat sich durchgesetzt als die Verkörperung von Treue, Hoffnung und Nächstenliebe. Als „Heilsrätinnen“ wurden die Drei bei Krankheit, bei Pest und Viehseuchen in Anspruch genommen.


Matronensteine von Nettersheim. Rhein. Landesmuseum, Bonn.

An diese Matronen der alten Zeit und des früheren Glaubens habe ich denken müssen, als ich vor wenigen Tagen auf unserem kleinen Bahnhof drei alte Frauen sah, die auf einer Bank nebeneinander sitzend durch ihre gleiche Kleidung und Haltung wie ein Bild aus längst vergangenen Tagen wirkten. Sie waren mit den Kopftüchern geziert, wie sie nur noch die alten Frauen unserer Gegend Sonntags zum Kirchgang und bei außergewöhnlichen Anlässen zu tragen pflegen, es waren gelbe Kopftücher, die einen farbigen Gegensatz zu ihren dunklen Mänteln bildeten.

So saßen die drei alten Weiblein auf einer Bank nebeneinander, genau wie die Matronen auf den alten Steinen. Die eine von ihnen mit einem verhutzelten Gesicht wie ein rotbäckiger Apfel schaute mit lebhaft klugem Blick um sich und nahm teil am äußeren Geschehen. Die mittlere trug eine Brille und blickte still und versonnen vor sich hin, sie schien die Weise zu sein. Die dritte aber hatte ein rundes, grobes und faltiges Gesicht, das deutlich gemahnte, wie der Mensch aus Erde gemacht sei und wieder in sie eingehe. Sie schien viel Leid erfahren zu haben in ihrem Leben, und doch blickte sie mit Gleichmut in die Welt.

Matronen, so nenne wir heute ältliche Frauen, nicht ohne Anflug von Spott. Diese drei Frauen waren Matronen, Mütter, wie sie seit Urzeiten unter uns leben und einst sie heute verehrt werden als die Geberinnen allen Lebens, das aus ihnen entsteht, und sich immer neu gestaltet.


Entnommen: Eifelkalender 1944







Zurück zu Karmantan




© Copyright karmantan.de