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Das Afelkreuz im Eifelland
von O Mayer





Kreuze sind Glaubensbekenntnisse einer Landschaft, und gerade die Eifel darf sich rühmen, ihrer eine Vielzahl zu besitzen. Überall in Wald und Flur, an Wegrainen und auf Bergeshöhen, begegnen wir immer wieder den Symbolen unseres Christenglaubens. Um ihren Standort oder den Grund ihres Entstehens ranken sich vielfach die sonderlichsten Sagen und Erzählungen. Ein Kreuz, das gleichzeitig neben den Resten eines alten Heilighäuschens fußt, sei heute aus dem reichen Schatz heimatlicher Kreuze herausgegriffen: Das Afelkreuz im Eifelwald bei Kelberg.

Über den durch Waldlücken über herbes Eifelland eine einmalige Fernsicht bietenden Höhenzug Kelberg - Darscheid ziehen sich Reste einer alten römischen Heerstraße, dem Eifelfreund als Wanderweg des Eifelvereins (Karl-Kaufmann-Weg) bekannt. Ein Stück vergangener Zeit steigt bei unserer Wanderung vor uns auf. - Horch, erklingen nicht Marschtritte, und kommt nicht dröhnendes Hufestampfen auf uns zu? Da, eben kommt eine römische Legion in Sicht, Fußvolk und Reiter, an Sonnenlicht, der römische Adler. Nun biegen sie ostwärts, dem Ziemensberg zu, der nur wenige Schritte waldeinwärts die Tempelanlagen Merkurs birgt. - Längst ist der hohle Marschtritt römischer Legionäre verhallt, längst sind die römischen Götter dem Christengott gewichen und nur die Grabhügel, die den alten Heerweg säumen, sind stumme Zeugen einer versunkenen Zeit. Ob die, welche hier ruhen, auch einst den Göttern Mars oder Merkur opferten, heute werden ihre vermoderten Gebeine überragt von einem Kreuz, dem Afelkreuz.





Das Afelkreuz - Foto: Mühlhaus





Es scheint mit der Landschaft, mit dem es überschattenden Hochwald verwachsen, so ernst und feierlich ragt es im Waldesdunkel empor, jeden Wanderer unwillkürlich in seinen Bann ziehend, jeden zu einem besinnlichen Verweilen zwingend. Schon als Kinder umfing uns dieser Zauber des einsamen Waldkreuzes und hieß unser fröhliches Lärmen bei der Beerensuche verstummen, und ein leichtes Grauen gesellte sich hinzu, seit wir wußten, daß wenig seitwärts im Walde ein Mann sich aus Schwermut erhängt hatte. Für seine Seele fügten wir ein Stoßgebet zu, wenn wir mit gefalteten Kinderhänden vor dem Kreuze verweilten und mit unseren Blicken die Leidens- und Erlösungszeichen Christi umfingen, die gläubige Hände unserer Ahnen in das harte Eichenholz gemeißelt hatten. Auf den beiden Querarmen links der Speer und Hysopstengel, rechts die drei Leidensnägel. Oben die Dornenkrone und unten im Schaft das Zeichen göttlicher Liebe, ein flammendes Herz. Im eigentlichen Kreuzpunkt beider Balken das Wort AFELKREUZ sowie die Jahreszahl 1231. Inwieweit dieser Jahreszahl eine geschichtliche Wahrheit zugrunde liegt, ist zweifelhaft, gehen doch die Erzählungen und Ansichten über die Entstehung weit auseinander. Die einen wollen wissen von Pest und Hunger, die in jener Zeit unsere Vorfahren heimsuchten, andere behaupteten, es sei bereits zur Zeit der Christianisierung errichtet worden zur Entsöhnung der römischen Tempelanlage auf dem Ziemensberg, die dem Gotte Merkur geweiht war, wie aus der Inschrift eines gefundenen Weihesteines (heute im Pfarrsaal Üß) hervorgeht, die in Kapitelschrift gehauen in der Übersetzung wie folgt lautet: „Zu Ehren des göttlichen Kaiserhauses bringt dem Gotte Merkur der vom Ziemensberg stammt und der Rosmerta Gaius Sarturinius Viriaucus Opfer dar gern frei sowie es sich geziemt er weiht den Göttern einen Tempel.“ Eine andere Lesart ist, Bischof Hatho von Trier sei hier in hartem Kampf gegen die Normannen gefallen. Das Kreuz sei jedoch absichtlich an der falschen Stelle errichtet worden, um sein Grab vor Schändung durch den Feind zu schützen. Wo liegt hier die Grenze zwischen Wahrheit und Dichtung? Nur über die Entstehung des kaum vier Schritt entfernten Heiligenhäuschens herrscht Klarheit. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts wütete in Katzwinkel eine schreckliche Viehseuche. Damals errichtete eine Familie Mayer (heute Eich) dieses Heiligenhäuschen zu Ehren der hl. Brigitta, der Viehpatronin. Begabte bäuerliche Hände schnitzten eine Statue der Heiligen, und so wurde der stille Ort zu einer Wallfahrtsstätte, zu der jahrzehntelang die Bauern pilgerten, um Hilfe für ihr krankes Vieh zu erflehen. Jahrelang waren Kreuz und Brigittenheiligtum Station der Hilgerather Fronleichnamsprozession. Auch der Leichenzug verharrte hier ein Vaterunser lang, wenn einer aus Katzwinkel oder Hörschhausen seinen letzten Weg nahm zum Gottesacker von Hilgerath.

Das Afelkreuz ließ Dr. Esten, Kelberg, 1931 erneuern, das Brigittenheiligtum jedoch versank in Trümmer. Nur die Statue rettete man, sie steht heute im Pfarrsaal zu Üß. Hier wäre in der Wiedererrichtung des Heiligenhäuschens eine kulturelle Aufgabe zu erfüllen. Eine glaubensfrohe, religiös durchdrungene Zeit hat einst die Zeichen christlichen Glaubens in Wald und Flur erstehen lassen; unsere Aufgabe ist es, dieses Kulturgut zu erhalten und zu pflegen, als christliches Glaubensbekenntnis der Eifellandschaft, unserer Heimat!

O. Mayer





Aus: Die Eifel, Monatsschrift des Eifelvereins, 47. Jahrg., Nr. 11, November 1954





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