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Iversheim und der Laurentiustag

Wenn in diesen Nächten - vom 8. bis 12. August - am nächtlichen Himmel die Sternschnuppen des Perseiden-Schwarmes hin- und herjagen - im Wettbewerb mit den Lüchtbündeln der Scheinwerfer, die feige englische Ruhestörer suchen -, dann spricht der Volksmund, daß die Meteore „Tränen des hl. Laurentius“ sind, dessen Fest heute, am 10. August, gefeiert wird. Er ist ein volkstümlicher Heiliger, wohl wegen der furchtbaren Marter, die er nach der Legende standhaft ertragen hat. Man sieht sein Standbild mit dem glühenden Rost, dem Instrument seiner Marter, in vielen Kirchen. Nach ihm wird auch die in unserer Gegend verbreitete schwarze Hausrebe „Laurentiustraube“ genannt, weil sie in normalen Jahren um den 10. August zu färben beginnt. In unserer Gegend sind dem hl. Laurentius die Pfarrkirchen in Iversheim, Marmagen und Müggenhausen, sowie die Kapelle in Niederkastenholz geweiht, in deren Nähe das Laurentiusbrünnlein rinnt, dessen frisches Wasser sehr geschätzt wird.

Der älteste Ort der Laurentiusverehrung ist zweifellos das in landschaftlich lieblicher Lage ins Erfttal gebettete schöne Dorf Iversheim. Auch hier haben die Römer zahlreiche Spuren hinterlassen, aus denen man schließen kann, daß ihnen der Ort nicht unwichtig war. Beim Bau der Landstraße von Euskirchen nach Münstereifel im Jahre 1838 ist dort ein römischer Ziegelofen aufgefunden worden. Zahlreiche Zeugen römischen Lebens in und bei Iversheim, u. a. ein Teller aus Terra sigillata, befinden sich im Provinzialmuseum in Bonn.

Als die Römer im 5. Jahrhundert durch die siegreichen Franken aus dem Rheinlande verdrängt wurden, kam das ganze Erfttal in fiskalischen Besitz. König Ludwig II. schenkte im Jahre 865 der Abtei Prüm in der „Villa Ivernesheim“ einen Mansus, wörtlich übersetzt „eine Hufe“. Was dieses Geschenk bedeutete, geht aus dem Verzeichnis der Besitzungen und Einkünfte der Abtei Prüm hervor, das Cesarius von Heisterbach im Jahre 1222 angefertigt hat, von dem eine mit der Urschrift genau büereinstimmende Handschrift im Staatsarchiv zu Koblenz verwahrt wird. Dort heißt es in möglichst getreuer Uebersetzung des in mittelalterlichem Latein geschriebenen Urtextes:

„Nr. 55. Von Iversheim (160 Morgen)

Es gibt in Iversheim 27 Dienstlehen. Ein jeder Dienstmann liefert ein Schwein im Werte von 2 Solidus; in dem einen Jahr ein Spenferkel im Werte von 4 Denaren, im andern Jahre 100 Schindeln. Er steuert bei ein halb Pfund Flachs, oder 12 Denare, wenn es an Flachs fehlen sollte. Ist Ueberfluß an Flachs vorhanden, so gibt man ein halb Pfund Flachs und macht ein ganzes Leintuch (das nach Angabe an anderer Stelle 8 Ellen lang und 2 Ellen breit war). Er spendet für die Besuchsreise des Abtes im Monat Mai 6 Denare, 3 Hühner und 15 Eier. An Dünger 10 Karren oder an Holz 5 Karren. Jeder macht im Jahr zwei Pflügungen, im Herbst 1 ½ Morgen und im Frühjahr desgleichen. Er macht die Einzäunung zwischen dem Herrenhof, dem Saatfeld und dem Weingarten, 24 Ruten. Er hält Wache 15 Nächte, zweimal im Jahre-“ usw. usw.

So geht es noch eine ganze Weile fort. Man muß das alles mit 27 multiplizieren, dann kann man ermessen, was damals Iversheim an die Abtei Prüm zu leisten hatte. Tatsächlich war Iversheim vor Münstereifel das Wirtschafts- und Verkehrszentrum für den ausgedehnten Besitz der Abtei in der Vordereifel. Interessant ist die Feststellung, daß in Iversheim zu jener Zeit auch Wein angebaut wurde. Später wurde Iversheim von Prüm an dessen Fliliale Münstereifel abgetreten. Die Iversheimer haben dem Stift gegenüber ihre Rechte zäh vertreten. Katzfey erzählt in seiner Geschichte der Stadt Münstereifel von Streitigkeiten wegen der Weidegerechtigkeit, die sich 230 Jahre hindurchzogen.

In der preußischen Zeit, im vergangenen Jahrhundert, hat Iversheim einen großen Aufschwung erlebt. Seine Lage an der neuen Bezirksstraße förderte die Ausfuhr des wertvollen Baustoffes, den seine Berge bargen; Iversheimer Kalk und Iversheimer Bruchsteine haben für zahlreiche Bauten auch in Euskirchen das Material geliefert. Damals hatte Iversheim den Ruf, daß es von seinen Einwohnern keine Steuern erhob, ihnen vielmehr noch aus dem Gemeindewald alljährlich ein Holzdeputat lieferte. In den Verwaltungsberichten des Kreises Rheinbach nahm es stets wegen seiner aufgeschlossenen, fortschrittlichen Gemeindepolitik eine sehr angesehene Stellung ein. Heute liegen im Banne von Iversheim bedeutende Werke, die seinem Namen neben den sonstigen mannigfachen Vorzügen des Ortes Ehre machen. Iversheim hat auch bei dem Wettbewerb um die Schönheit der Dörfer im Kreise Euskirchen hervorragend abgeschnitten. Der Wanderer, der von hier aus ins Eschweiler Tal oder in den Münstereifeler Wald zum Giersberg hinauszieht, erfreut sich an den reizenden Dorfbildern, zumal die früheren gefährlichen Kehren der Landstraße in neuerer Zeit vortrefflich ausgeglichen sind.

Iversheim feiert am morgigen Sonntag sein Kirchweihfest. Schon in der karolingischen Zeit muß eine Kirche in Iversheim gestanden haben, was in dem Güterregister der Abtei Prüm vom Jahr 893 übrigens auch angedeutet wird. Später trat Iversheim hinter Münstereifel zurück; es wurde vom dortigen Stift aus pastorisiert, das einen Vikar nach Iversheim schickte. Selbständige Pfarrei wurde Iversheim erst im Jahre 1804, jedoch 1808 als solche wieder aufgehoben, bis seit 1834 der spätere Dechant von Münstereifel, Pfarrer Büdgenbach, fast fünfzig Jahre lang dort segensreich wirkte. Unter ihm wurde in den Jahren 1848-49 auch die jetzige Kirche gebaut, unter Beibehaltung des alten Turmes. Clemen rühmt in der schönen Ausstattung des würdigen Gotteshauses mehrere Skulpturen, Statuen des hl. Antonius und des hl. Johannes vom Anfang des 16. Jahrhunderts, die beide in den „Kunstdenkmälern des Kreises Rheinbach“ abgebildet sind, sowie eine lebensgroße Madonna „von schönem Schwung“ aus dem Ende des 15. Jahrhunderts. Die letze der drei aus dem Jahre 1758 stammenden Glocken, von denen eine dem hl. Laurentius geweiht war, ist im Jahre 1912 umgegossen worden. 1924 wurden dazu zwei neue Glocken beschafft. Iversheim hat den Gefallenen aus dem Weltkriege an der Kirche ein stimmungsvolles Ehrenmal geschaffen. Der morgige Tag wird in kriegsmäßiger Einschränkung ein Festtag für die Gemeinde sein, zumal zahlreiche Pfarreingesessene den Namen des Kirchenpatrons tragen.

Quelle: EVB vom 10. August 1940







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