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Angebl. Marienerscheinungen beunruhigen d. Dürener Bevölkerung
Mehrere hundert Menschen eilen zum Muttergottes-Häuschen
Stadtgeistlichkeit sagt: Religiöse Sensationslust




Düren, 7. Januar 1950. (Eig. Bericht)

Obschon das Muttergotteshäuschen im Süden der Stadt seit einiger Zeit vom Oberpfarrer an St. Anna geschlossen worden war, um weitere Ansammlungen und Kundgebungen zu verhindern, die bei angeblichen Muttergottes-Erscheinungen bereits mehrmals im letzten Monat dort stattgefunden haben, war am Abend des Dreikönigstages der weite Platz vor dem Kapellchen nach Anbruch der Dunkelheit mit Hunderten von Menschen gefüllt. Aus dem ganzen Stadtgebiet, verschiedenen Orten der Umgebung und sogar mit einem Omnibus aus Derichsweiler waren meist Frauen gekommen, um an diesem Abend die „Erscheinung der Muttergottes“, wie sie eine 36 Jahre alte Frau aus der Panzerkaserne vorausgesagt hatte, zu erleben.

Verzückungen und Provokationen

Kopf an Kopf drängten sich Männer, Frauen und Kinder auf dem großen Platz und warteten geduldig auf die Dinge, die da kommen sollten. In den ersten Reihen fing man an, den Rosenkranz zu beten und die meisten Anwesenden fielen in dieses Gebet mit ein. Es fehlten aber auch nicht die Stimmen - von meist halbwüchsigen - der Provokationen, die sich in vielen ablehnenden Zwischenrufen äußerten. Gegen 19.30 Uhr verstummte plötzlich die Menge und durch das Gedränge wurde eine 36 Jahre alte, gehbehinderte Frau aus Düren-Süd nach vorne geleitet. Man machte von allen Seiten Platz und gegenseitig wurde sich zugeflüstert, dies sei die Person, der die Muttergottes schon mehrere Male erschienen sei.

Keiner „sah etwas“

Nach dieser Unterbrechung wurde wieder gebetet bis auf ein Zeichen hin die Menge schwieg und die „Begnadete“ in die Knie fiel und leise weitersprach, ohne daß es möglich war, etwas von ihren Worten zu verstehen. Vor allem die umstehenden Frauen beugten ebenfalls die Knie und die Menge wartete schweigend. Alle Anwesenden bemühten sich, „etwas zu sehen“, jedoch geschah nichts Außergewöhnliches. - Nach einer kurzen Pause wurden das Lied „Großer Gott wir loben Dich“ und ein Marienlied gesungen und so wie sie gekommen, verschwand auch die angebliche „Seherin“ mit ihrer engsten Begleitung, neugierig von der Menge mit Fragen bestürmt.

Angeblich den Bau einer Kirche gefordert

Noch ehe der Haufen Menschen sich zerstreute, kolportierten die Gerüchte von einer „Erscheinung“ der Muttergottes, die in einem Gespräch den Bau einer neuen Kirche gefordert haben soll und Anfang Mai wieder an derselben Stelle erscheinen wolle. Nur allmählich verlief sich wieder die Menge und die zahlreichen Fahrzeuge setzten sich wieder in Bewegung.

„Sensationelle Machenschaften“

Fast zur gleichen Zeit nahm Pfarrer Lüpschen bei einem abendlichen Gottesdienst in der Marienkirche im Verlauf seiner Predigt zu den Vorkommnissen am Muttergottes-Häuschen, die sich jetzt schon mehrere Male im Laufe des letzten Monats abspielten und immer größeren Umfang annahmen, Stellung. Er warnte vor solchen sensationellen Machenschaften falsch beratener und seelisch blinder Menschen, die eine bedauerliche Situation geschaffen hätten. Man könne nur mahnen, sich durch derart krankhaftes Getue nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Er wandte sich an alle vernünftigen und geistig klardenkenden Menschen, sich bewußt von derartigen Kundgebungen und Ansammlungen fernzuhalten.

Der Oberpfarrer von St. Anna nimmt Stellung

Der Oberpfarrer von St. Anna, Köttgen, stellte uns im Zusammenhang mit den Vorkommnissen am Muttergotteshäuschen folgende Stellungnahme zur Verfügung:

Durch den Bernadette-Film ist es in weite Kreise gedrungen, daß es Privatoffenbarungen gibt, zu denen sich die katholische Kirche positiv stellt. Unsere sensationshungrige Zeit hat eine gewisse Vorliebe für solche außergewöhnlichen Kundgebungen aus der Geheimniswelt Gottes. Nicht alles ist Gold, was glänzt. Nicht jede Äußerung eines Menschen, daß er mit dem Herrn oder mit der Mutter des Herrn in sinnhafter Berührung sei, darf sofort als bare Münze genommen werden. Die Kirche ist sehr zurückhaltend, ehe sie eine Privatoffenbarung anerkennt. Sie ist ja auch nicht darauf angewiesen: ist sei doch selbst die wahre und endgültige Trägerin der Geheimnisse Gottes und die Künderin der Frohen Botschaft unseres Herrn. In ihr ist wahrhaftig „erschienen das Wohlwollen und die Menschlichkeit unseres Erlösergottes“. Daher ist es von uns katholischen Christen undankbar, wenn wir uns wie vergessen auf jede Nachricht stürzen, daß der Herr oder die Mutter des Herrn einem Menschen eine Privatoffenbarung gewährt habe.

Es ist nichts anderes, als Sensation, die mit Frömmigkeit auch nicht das mindeste zu tun hat, wenn sich zur Zeit Menschen ansammeln, um am Muttergotteshäuschen einer etwaigen Erscheinung Mariens beizuwohnen. Es ist strikte abzulehnen, daß, wie berichtet wurde, Menschen von auswärts per Autobus am Muttergotteshäuschen anfahren, um dort ihre religiöse Sensationslust zu befriedigen. Wir müssen unsern Eifer auf das Wesentliche richten, d. h. auf die gottgegebene Offenbarung, die sich uns kundtut in der Lehre der Kirche und in den Heiligen Schriften. Verwenden wir darauf unsere Erkenntniskraft und suchen wir das Erkannte dann im Leben zu verwirklichen. Wenn die angeblichen Erscheinungen Marias echt sind, werden sie sich durchsetzen.

Der Christ muß vorerst - wie es die Kirche tut - zurückhaltend und neutral bleiben, darf nicht darüber spötteln, darf diesen Erscheinungen jedoch auch nicht ohne weiteres Glauben schenken. Das Muttergotteshäuschen bleibt bis auf weiteres geschlossen.


Aus: Eifeler Volkszeitung, Bezirksausgabe zur Aachener Volkszeitung vom 9.1.1950







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